Martin Balz

Orgelpflege: Kirchenrenovierungen, eine häufig unterschätzte Gefahr für die Orgel*

Wer glaubt, er tue genug für seine Orgel, wenn er sie regelmäßig warten und in größeren Abständen reinigen läßt, läuft Gefahr, eine wichtige Quelle von Orgelschäden zu übersehen, die Kirchenrenovierungen. Ganz allgemein gesprochen handelt es sich um Bauarbeiten im Kirchenraum. Von ihnen gehen Gefahren aus, ob sie nun im Orgelbereich ausgeführt werden oder auch weit entfernt davon. Gerade im zweiten Fall werden die Gefahren besonders leicht übersehen.

1. Bei Verputz- und Malerarbeiten im unmittelbaren Orgelbereich, besonders an der Decke, können Farbspritzer oder Putzbrocken in die Orgel fallen und Pfeifen oder andere Teile nicht nur verschmutzen, sondern auch beschädigen. Putzkalk kann Spuren an Pfeifenmetall und Holz hinterlassen, die sich kaum oder gar nicht mehr beseitigen lassen. Große, über das Instrument hinausragende Pfeifen können durch unvorsichtiges Hantieren beschädigt werden. Allgemein ist eine starke Verschmutzung zu erwarten. Feuchtigkeit gefährdet die Holzteile (Pfeifen, Windladen, Mechanik). Beim Ablaugen und Fassen von Holzteilen des Prospekts können nicht ausgebaute Pfeifen, sowohl Prospekt- wie Innenpfeifen, verschmutzt oder sogar verätzt werden.

2. Werden Arbeiten im Kirchenraum entfernt von der Orgel ausgeführt, entstehen die Schäden nicht durch unmittelbare Einwirkung der Arbeiten selbst, sondern durch die Stoffe, die durch sie freigesetzt werden und mit der Luft in die Orgel gelangen. Bei Holz-, Stein- und Erdarbeiten (Arbeiten an Heizungskanälen, Ausgrabungen) entsteht Staub, bei Tüncher- und Malerarbeiten entsteht hohe Luftfeuchtigkeit. Luftfeuchtigkeit und Staub breiten sich im gesamten Kirchenraum aus und bedrohen deshalb auch die Orgel. Oft wird die Kirchenheizung tagelang auf hoher Temperatur betrieben, um Verputz oder Farben schneller zu trocknen. Sowohl die allzu feuchte als auch die allzu trockene Luft, nicht zuletzt aber auch der krasse Wechsel von dem zuerst tropischen Raumklima zum trockenen Wüstenklima schädigt Holzteile auch außerhalb der Orgel; der vermeintliche Vorteil raschen Trocknens wird mit dem Nachteil umfangreicher und kostspieliger Instandsetzungskosten erkauft. Eine Verstaubung der Orgel droht unter Umständen sogar, wenn Maurer- und Putzarbeiten nur im Außenbereich der Kirche vorgenommen werden.

Wie ist eine Orgel gegen solche schädlichen Einflüsse zu schützen?

Die wichtigste Antwort auf diese Frage ist, daß die Bauherrschaft und deren Architekt über die zum Schutz der Orgel erforderlichen Maßnahmen nicht selbst befinden, sondern den Orgelbauer hinzuziehen und befragen sollten, der die Orgel in Pflege hat. Ihm sind die geplanten Arbeiten zu schildern, damit er geeignete Schutzvorkehrungen empfehlen und dann auch durchführen kann. Der Orgelbauer sollte die Orgel aber nicht nur vor Beginn der Renovierungsarbeiten schützen, sondern sie auch nach deren Ende wieder selbst auspacken und spielbar machen; schon oft ist eine sorgfältig geschützte Orgel durch unvorsichtiges, obgleich wohlgemeintes Entfernen der Schutzabdeckung durch Dritte doch noch in Mitleidenschaft gezogen worden, weil beispielsweise der auf der Abdeckung abgelagerte Schmutz beim Entfernen der Abdeckung in die Orgel fiel.
Zur Information werden verschiedene Schutzvorkehrungen hier näher beschrieben, auch wenn ihre Pla-nung und Durchführung in die Hand des Orgelbauers gehören.

Bei Verputz-, Maler- und Schreinerarbeiten im Kirchenraum:

1. Abdecken und luftdichtes Verpacken mit starker Folie. Ausbau und Lagern von Pfeifen, die über das Gehäuse hinausragen. Vorkehrungen gegen zu hohe Luftfeuchtigkeit in der eingepackten Orgel.

Bei Arbeiten an der Decke oberhalb der Orgel:

2. Um die nach Ziff. 1 verpackte Orgel wird ein Gerüst gestellt. Ist das Orgelgehäuse nach oben offen, sollte zusätzlich ein Schutzdach angebracht werden.

3. Reicht die Arbeitshöhe oberhalb der Orgel nicht aus: Ausbau und Lagern des gesamten Pfeifenwerks, Abdecken der Windladen.

Bei sehr umfangreichen Bauarbeiten:

4. Bei sehr umfangreichen Bauarbeiten (neue Heizung, neuer Fußboden, neue Fenster, Maurerarbeiten): Einhausen der ganzen Orgel in einen massiven Verschlag. Demontage und Einlagern des gesamten Orgelwerks, die in solchen Fällen naheliegen, sind nicht nur sehr kostspielig, sondern verursachen Lagerkosten und sind mit nicht unbeträchtlichen Risiken verbunden. Sie werfen möglicherweise beim Wiedereinbau auch technische Probleme auf. Besonders ältere denkmalgeschützte Orgeln sollten möglichst nicht im Ganzen demontiert werden. Wenn es sich als unumgänglich erweist, muß der Lagerraum ein ähnliches Klima haben wie der eigentliche Standort der Orgel.

Bei Arbeiten am Orgelprospekt:

5. Ausbau der Prospektpfeifen und Einlagern, Schützen des Orgelinneren vor Farb- und Laugenspritzern.

Grundsätzlich sollte das Raumklima (Temperatur, Luftfeuchte) während laufender Bauarbeiten - unabhängig von deren Art und Umfang - kontrolliert werden, damit extreme Werte vermieden werden können.

Steht bei einer Orgel in absehbarer Zeit eine Reinigung an, sollte trotzdem nicht auf die üblichen Sicherungsvorkehrungen während Kirchenrenovierungsarbeiten verzichtet werden. Auch wenn die Orgel anschließend gereinigt wird, sollte man den Risiken und Schäden vorbeugen, die zusätzlich und ohne Not entstehen, zumal sie unter Umständen größeren Umfang annehmen können und auf jeden Fall die Reinigungskosten in die Höhe treiben.

Handwerker, die Arbeiten im Kirchenraum durchführen, ohne sich darum zu kümmern, ob die Orgel und andere wertvolle Inventarstücke angemessen geschützt sind, setzen sich ebenso wie bauleitende Architekten Schadensansprüchen aus, die in der Regel von der Haftpflichtversicherung der Betriebe übernommen werden. Da jedoch grundsätzlich das Vermeiden von Schäden besser ist als ihre Beseitigung, sollten alle Beteiligten auf ausreichende Schutzvorkehrungen vor dem Beginn von Bauarbeiten achten.

* Erarbeitet unter Verwendung der "Richtlinien zur Sicherung von Orgeln bei Bau- und Malerarbeiten" des Bistums Trier, zur Verfügung gestellt von Herrn Domorganist Still, und der "Orgel-Checkliste für Architekten bei Kirchenrenovierungen" des Orgel- und Glockenprüfungsamts des Evang. Oberkirchenrats Karlsruhe.

Der Abdruck auf dieser Internetsite erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Dr. Balz.